6. Jahrestagung des KIT-Zentrums Energie am 2. Juni 2017

KIT-Zentrum Energie hält seine 6. Jahrestagung ab
Keynote Speaker erörtern Instrumente des Wissens- und Technologietransfers
Nachwuchswissenschaftler stellen ihre Arbeiten vor

Die Versorgung mit sicherer, bezahlbarer und umweltverträglicher Energie stellt eine weit ins 21. Jahrhundert reichende Herausforderung dar. Umso wichtiger ist, dass sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem nachhaltigen Umbau des Energiesystems beschäftigen. Die 6. Jahrestagung des KIT-Zentrums Energie hat gezeigt, welch enormes Potenzial der Forschernachwuchs am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) besitzt. Wie jedes zweite Jahr war die Tagung als Doktorandensymposium konzipiert und bot jungen Forscherinnen und Forschern die Chance, ihre aktuellen Projekte und Ideen in Vorträgen und auf Postern zu präsentieren. „Innovationen für die Energie von morgen“ lautete der Titel der Tagung am 2. Juni 2017. In der Aula des Fortbildungszentrums für Technik und Umwelt (FTU) am KIT Campus Nord begrüßte der Wissenschaftliche Sprecher des KIT-Zentrums Energie, Professor Thomas Schulenberg, mehr als 100 Experten und Interessierte.

Innovation und Technologietransfer am KIT

Innovation benötigt viele Instrumente“, sagte der Vizepräsident des KIT für Innovation und Internationales, Professor Thomas Hirth, in seinem Grußwort zur Tagung. Für das KIT bildet Innovation, welche die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Dialog mit der Gesellschaft ermöglicht, neben Forschung und Lehre eine Kernaufgabe – damit gute Ideen zügig aus den Laboren in den Markt gelangen. Thomas Hirth stellte einige Instrumente der Innovation vor. So erläuterte er, wie das Thema Entrepreneurship in der Lehre am KIT verankert ist, präsentierte den KIT-Business-Club sowie Beispiele für Kooperationen des KIT mit der Industrie, stellte das europäische Unternehmen EIT InnoEnergy vor, an dem das KIT beteiligt ist, berichtete über den Auftritt des KIT mit einem eigenen Stand in der Energie-Halle der Hannover Messe 2017 und kündigte die neueste Ausgabe des Innovationstags NEULAND am KIT an.

Neu etabliert hat das KIT zwei Innovationsmanager an den KIT-Zentren Energie und Mobilitätssysteme, die organisatorisch an die neue Dienstleistungseinheit Innovations- und Relationsmanagement (IRM) angebunden sind. Der Innovationsmanager am KIT-Zentrum Energie, Stephan Barth, erläuterte verschiedene Strategien, um Innovations- und Verwertungspotenziale frühzeitig zu identifizieren, innovative Projekte zu initiieren und die Verwertung zu begleiten. Zu den Strategien gehören Technologiescreening, Patentierung, Technologiemarketing, Transferprojekte, Lizenzen und Spin-offs.

Wie sich mit wirtschaftlich erfolgreichen Innovationen ein nachhaltiges Energiesystem für Europa aufbauen lässt, erklärte Keynote Speaker Dr. Roland Doll, Innovation Officer bei EIT InnoEnergy. Auf einer Public-private-Partnership beruhend und vom Europäischen Institut für Innovation und Technologie (EIT) gefördert, ist InnoEnergy der weltweit größte Start-up Accelerator, der sich auf den Bereich Energie spezialisiert hat. Eine gute Idee, eine schnelle Umsetzung, ein überzeugender Businessplan und geeignete Partner sind entscheidend für den Erfolg eines Start-ups. Wie Doll berichtete, sind gerade Start-ups im Bereich Cleantech – dabei geht es um Technologien zur Effizienzsteigerung, Emissionsminderung und Ressourcenschonung – auf Investoren mit geduldigem Kapital angewiesen, da sie auch mit Hardware agieren und daher mit längeren Entwicklungszeiten zu rechnen haben. EIT InnoEnergy hat bis jetzt in mehr als 170 Start-ups in ganz Europa investiert.

Als weiterer Keynote Speaker der Tagung erörterte Professor Orestis Terzidis, Leiter des Instituts für Entrepreneurship, Technologiemanagement und Innovation (EnTechnon) des KIT, wie sich technologiegetriebene Innovationen praktisch begleiten lassen. Solche durch technologische Entwicklungen initiierte Innovationen (Technology Push) bilden den Schlüssel zu disruptiven Veränderungen am Energiemarkt und bergen ein großes Profitpotenzial. Ihnen gegenüber stehen marktgetriebene Innovationen, die von Verbraucherbedürfnissen ausgehen (Market Pull). Für diese ist bereits ein praktischer Ansatz etabliert– ein als „Design Thinking“ bezeichneter iterativer Prozess. Orestis Terzidis präsentierte einen entsprechenden Ansatz für technologiegetriebene Innovationen, der auf vier Ebenen angesiedelt ist: grundlegende und angewandte Forschung, Technology Application Selection (TAS), Vorentwicklung und Produkteinführung. Auf der TAS-Ebene gilt es, die Technologie zu charakterisieren, mögliche Anwendungen zu identifizieren und die aussichtsreichsten Anwendungen anhand verschiedener Kriterien wie Machbarkeit, Markpotenzial und Profitabilität zu selektieren.

Technologien für mehr Effizienz und weniger Emissionen

Insgesamt 13 Nachwuchsforscherinnen und -forscher präsentierten bei der von Professor Thomas Schulenberg sowie vom Geschäftsführer des KIT-Zentrums Energie, Dr. Wolfgang Breh, moderierten Tagung ihre Projekte und stellten sich den Fragen des Publikums. Klarissa Niedermeier befasst sich in ihrer Promotion am Institut für Kern- und Energietechnik (IKET) des KIT mit thermischer Energiespeicherung für ein natriumgekühltes Solarturmkraftwerk und verbindet damit drei Bereiche: konzentrierende Solarthermie, Flüssigmetallanwendungen und thermische Energiespeicherung. Solarturmkraftwerke lenken die Sonnenstrahlung über Spiegel an die Spitze eines Turms, in der ein Wärmeträgermedium zirkuliert. Dieses wird erhitzt, und die Wärme wird durch Wärmeübertrager und konventionelle Dampfkraftprozesse in Strom umgewandelt.

Mit Flüssigmetallen, die ausgezeichnete Wärmeübertragungseigenschaften sowie ein großes Wärmespeichervermögen besitzen, lassen sich die zeitliche Verfügbarkeit und der Wirkungsgrad solcher Kraftwerke erhöhen.

Vom Institut für Thermische Strömungsmaschinen (ITS) des KIT präsentierten gleich drei junge Forscher ihre aktuellen Projekte. Alle drei beschäftigen sich mit Möglichkeiten, Flugzeuge energieeffizienter und emissionsärmer zu machen. Oliver Munz zielt mit seiner Arbeit darauf, die in Turbomaschinen häufig eingesetzten Labyrinthdichtungen zu optimieren, das heißt, ihre Effizienz zu steigern und ihre Sicherheit zu verbessern. Dafür untersucht er Anstreifvorgänge in Turbomaschinen experimentell. Eine weitere Möglichkeit, die Effizienz von Flugantrieben zu steigern, besteht darin, das Druckverhältnis zu erhöhen. Wegen der damit verbundenen hohen Temperaturen ist eine aufwendige Kühlung erforderlich. Fabian Bleier analysiert in seiner Arbeit die Temperaturmessung an einer rotierenden Oberfläche mithilfe statistischer Methoden. Marc Keller befasst sich mit der Modellierung und Simulation der Öl-Luft-Zweiphasenströmung in Reduktionsgetrieben ziviler Turbinen-Luftstrahltriebwerke mit hohem Bypassverhältnis. Je höher das Bypassverhältnis, desto höher die Effizienz.

Auf Kraftstoffe, die sauberer verbrennen, richtet sich die Arbeit von Dorian Oestreich am Institut für Katalyseforschung und -technologie (IKFT) des KIT. Der Wissenschaftler befasst sich mit der Herstellung von Oxymethylenethern (OME). Dabei handelt es sich um synthetische Verbindungen aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Sie können die Schadstoffbildung bereits bei der Verbrennung unterbinden und lassen sich aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen. Am IKFT werden verschiedene Syntheserouten für OME untersucht.

Grundlegende und angewandte Forschung

Eine Arbeit aus der Grundlagenforschung, die unter anderem zukünftigen Fusionsreaktoren zugutekommen könnte, stellte Sascha Koch vom Institut für Angewandte Materialien – Angewandte Werkstoffphysik (IAM-AWP) des KIT vor. In seinem Forschungsvorhaben „Entwicklung eines Fe-Y RF-MEAM Potentials“ geht es um ODS-Stähle (ODS – Oxide Dispersion-Strengthened), die sich für Einsätze unter extremen Bedingungen eignen.

Was geschieht mit ausgedienten Kunststoffgetränkeflaschen? Für Polyethylenterephthalat, kurz PET, gab es bisher kein echtes Recycling, sondern lediglich Verfahren zur Wiederverwendung, wie Vasileios Ramopoulos vom Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik (IHM) des KIT erklärte. Ramopoulos befasst sich in seiner Arbeit mit energieeffizienten Mikrowellenapplikatoren, die ein PET-Recycling im Sinn einer Depolymerisation ermöglichen, und zwar in industriellem Maßstab.

Mit energieeffizienter Intralogistik beschäftigt sich Meike Braun am Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL) des KIT. Sie untersucht, wie sich der Energiebedarf von Distributionszentren vergleichbar ermitteln und durch verschiedene Technologien und neue Steuerungsstrategien senken lässt. So sind beim Lagern und Kommissionieren viele Varianten mit verschiedenen Ladungsträgern und Fördermitteln und dementsprechend unterschiedlichen Energiebedarfen möglich. Die Ergebnisse des Projekts fließen in eine Richtlinie der FEM (European Federation of Material Handling) ein.

Untersuchungen zum Energieeinsparpotenzial von feuchtespeichernden Innenputzen nimmt Michael Kleber am Institut Entwerfen und Bautechnik (IEB) – Fachgebiet Bauphysik & Technischer Ausbau (fbta) des KIT vor. Seine Promotion ist eingegliedert in das interdisziplinäre Projekt „raum/klima/putz“, in dem es um Leistungskriterien für wohnkomfortgerechte Wandbaustoffe geht. Dazu laufen derzeit auch Probandentests im Raumklima-Teststand LOBSTER (Laboratory for Occupant Behaviour, Satisfaction, Thermal Comfort and Environmental Research) auf dem Gelände der Westhochschule nahe dem Campus Süd des KIT.

Energiewende im Kleinen und im Großen

Die nächsten beiden Vorträge der Tagung handelten von Projekten am Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT. Lorenz Graf von Reventlow widmet sich der Photonenkonversion mit effizienten organischen Leuchtdioden (OLEDs). Bei der Photonenhochkonversion werden zwei niedrigerenergetische grüne Lichtteilchen in ein höherenergetisches blaues Lichtteilchen umgewandelt. – Dominik Landerer befasst sich mit organischen Solarzellen für die Integration in „Smart Glasses“. Organische Solarzellen sind leicht, biegsam und kostengünstig herzustellen. Form, Farbe und Transparenz lassen sich an viele Anwendungen anpassen. So ist es möglich, die Solarzellen in die Gläser von Sonnenbrillen zu integrieren, um Strom für mobile Anwendungen zu erzeugen Diese Innovation aus dem Materialwissenschaftlichen Zentrum für Energiesysteme (MZE) des KIT zeigt, dass die Energiewende auch in kleinem Maßstab sinnvoll ist.

Mit Möglichkeiten, die Sicherheit von Lithium-Ionen-Batterien bei der Herstellung, dem Transport und der Anwendung zu erhöhen, befasst sich Zhengqi Wang vom Institut für Angewandte Materialien – Werkstoffkunde (IAM-WK) des KIT. Dabei konzentriert er sich auf Elektrolyte auf der Basis von organischen Carbonaten.

Am EIFER, dem vom KIT und der Électricité de France (EDF) getragenen Europäischen Institut für Energieforschung, untersucht Mariya Trifonova den Wandel des Energiesystems in größerem Maßstab: Ihre Arbeit widmet sich der Entwicklung des Sektors Regenerative Energien in Europa aus institutioneller Perspektive. Sie fokussiert dabei auf Solarenergie und Windkraft und auf die Länder Deutschland, UK, Spanien, Rumänien und Bulgarien.

Posterausstellung und fachlicher Austausch

Die insgesamt 13 Vorträge von Nachwuchs-wissenschaftlern zeigten nicht nur das breite Spektrum der Energieforschung am KIT, sondern boten auch ausgezeichnete Beispiele für gute Ideen, die sich in marktfähige Produkte und Services überführen lassen. Begleitend dazu gab es eine umfassende Posterausstellung zu Projekten aus allen sieben Topics des KIT: Energieumwandlung, Erneuerbare Energien, Energiespeicherung und -verteilung, Effiziente Energienutzung, Fusionstechnologie, Kernenergie und Sicherheit sowie Energiesystemanalyse. Die Forscher standen für Fragen der Besucher zur Verfügung, und so ergab sich manches spannende Gespräch. Zum Abschluss der 6. Jahrestagung des KIT-Zentrums Energie zog Geschäftsführer Dr. Wolfgang Breh ein rundum positives Fazit, was das Programm und die Resonanz betraf. Die 7. Jahrestagung 2018 in größerem Rahmen ist bereits geplant.